„Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern, in jedem Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.“ (Apg 10, 34-35)

Halt Stop. Was wollen Sie hier? Ihren Personalausweis! Machen Sie Ihre Taschen auf!Für manche ist Schluss an der Grenze. Die Grenze nach Westen war dicht. Ich bin im Sperrgebiet aufgewachsen. Da kam niemand so einfach hinein. Besuch musste angemeldet werden. Die Regeln des DDR-Staates beherrschten das Leben.
Halt Stop. Infektionsgefahr! Ihr Kind muss zuhause betreut werden. Ihre Angehörigen im Pflegeheim und Krankenhaus dürfen Sie nicht besuchen. Ohne Masken dürfen Sie nicht in öffentliche Gebäuden eintreten.
Halt. Stop. Hier geht es nicht weiter. Was wollen Sie hier? Für manche ist Schluss an der Grenze. Da sind Zäune. Da sind Meere. Sie versuchen es dennoch, viele überleben es nicht, weltweit leben viele in Flüchtlingslagern.
Grenzen sind politisch. Grenzen sind derzeit auch sozial und medizinisch. Grenzen unterscheiden auch kulturelle und persönliche Überzeugungen, selbst in der Kirche. Mit wem wollen wir es zu tun haben?
In der Apostelgeschichte begegnen sich zwei Männer aus völlig verschiedenen Lebenszusammenhängen. Ihr Weg führt sie auf eigentümliche Weise zusammen.
Der eine ist Petrus. Fischer vom See Genezareth und Jünger Jesu. Apostel und ängstlicher Freund, dem an der Grenze zum Todesurteil der Mut ausgeht. Zeuge der Auferstehung und Säule der nachösterlichen Gemeinschaft.
Der andere ist Kornelius, römischer Offizier und mit seiner Hundertschaft in Residenzstadt Caesarea am Mittelmeer stationiert. Kornelius zählt sich zu den sogenannten Gottesfürchtigen. Von ihnen gab es in der Antike eine Menge. Den vollständigen Übertritt zum Judentum scheuten sie, wegen ihrer gesellschaftlichen Stellung, wegen der für Männer obligatorischen Beschneidung, vielleicht weil ihnen die 613 jüdischen Gebotsregeln doch zu detailliert waren. Aber sie verehrten Gott, den die Juden verehrten, als den einen Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat. Sie hielten sich an die Zehn Gebote und gaben Almosen an bedürftige Menschen.
Eines Tages hat Kornelius eine Erscheinung: Ein Engel in seinem Zimmer in Caesarea. Seine Gebete seien erhört. Kornelius erschrickt, wie das bei Begegnungen mit Engeln ist – selbst in biblischer Zeit. Doch der Engel fordert Kornelius auf, Leute nach Joppe zu schicken. Dort sei ein Mann namens Simon Petrus, den solle er holen lassen. Wie verrückt oder vernünftig sich das für Kornelius anhörte, wissen wir nicht, aber er folgt dem Vorschlag.
Zur gleichen Zeit in Joppe, südlich von Caesarea: Petrus lebt hier seit einer Weile. Er will vor dem Essen beten, da hat er eine Erscheinung, etwas wie ein großes Tischtuch. Darauf wimmelt es: Hühner, Schweine und anderes Getier. Für Petrus jenseits der Grenzen des guten Geschmacks und seines Glaubens. Halt! Stop. Von Kindheit an hatte er gelernt, sich von solchen Tieren fernzuhalten. Sie sind unrein. Keine schöne Vision für einen Hungrigen. Aber es kommt schlimmer: Vom Himmel hört er eine Stimme: „Steh auf, schlachte und iss!“ – es schüttelt ihn: „O nein, Herr; ich habe noch nie etwas Verbotenes und Unreines gegessen.“ Doch die göttliche Stimme ist klar: „Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht verboten.“ Sie wiederholt die Anweisung noch zweimal. Dann endet die Vision. Und genau in diesem Moment steht die Gesandtschaft von Kornelius vor der Tür und fragt nach Simon Petrus.
Der verwirrte Petrus lässt die Gäste herein, das gebietet die Gastfreundschaft. Am nächsten Morgen geht er mit den Männern mit zu Kornelius.Als sie sich begegnen und sich ihre Erscheinungen erzählen, sagt Petrus: „Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern, in jedem Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.“

Grenzen überschreiten ist schwer. Am schwersten sind die in unserem Denken und Gefühlen verankerten Grenzen zu überwinden. Die sind härter als Beton. Eine solche massive Grenze haben die ersten Christen um Petrus überschritten, als sie sich für Menschen öffnete, die bis dahin Heiden, Unberührbare, Fremde waren. Die Geschichte von Petrus und Kornelius erzählt von diesem schwierigen Prozess. Doch die ersten Christen haben gelernt: In der Nachfolge Jesu kann es keine Grenzen zwischen Menschen geben.
So wird aus einer jüdischen Bewegung in der Nachfolge Jesu eine christliche Gemeinschaft, die allen offensteht, egal welcher Herkunft, Hautfarbe, sozialer Schicht oder Volkszugehörigkeit.

In der Geschichte der Christenheit ist das Evangelium immer wieder eingesperrt worden. Und Menschen wurden ausgegrenzt. Immer wieder gerade von denen, die Gott eigentlich dienen wollten. Paulus irrte, als er den Frauen in der Gemeinde den Mund verbieten wollte. Luther irrte, als er meinte vom Evangelium her begründen zu können, dass aufständische Bauern, Juden und Andersgläubige verfolgt werden dürften. Die Bekennende Kirche irrte, als sie sich im Dritten Reich – bis auf wenige Ausnahmen – stärker für ihre eigene Freiheit einsetzte, als ihre Stimme zu erheben für Juden, Homosexuelle, Sinti und Roma und Kommunisten.

Die Begegnung von Petrus und Kornelius in der Apostelgeschichte gibt uns viele Anstöße zum Nachdenken.
Wie beschreibe ich meinen Glauben?
Kann ich darüber mit anderen reden?
Wen und was empfinde ich als störend, als unchristlich?
Wo sind meine Grenzen?

Petrus und Kornelius haben gelernet: Gott schließt Menschen ohne jeden Vorbehalt in seine Liebe ein.
Zeigt das nicht eine Richtung für mein Sein und neue Perspektiven für Zusammensein als Christen? Amen.