Jesus, Du füllst meine gebrochenen Stellen und vergoldest sie …
So oder so ähnlich würde ich das Bild nennen.
Offensichtlich ist die Frau „auseinandergebrochen“. Sie hält noch einige Scherben in ihrer Hand. Eine Träne rollt ihr über das Gesicht.
Jede und jeder, der Brüche und Risse im Leben kennt, weiß wie es sich anfühlt. Seien es Verletzungen, Krankheit, Trennung, Tod und andere Abschiede. Du bist nicht mehr ganz, nicht mehr heil. Vieles ist nicht mehr, wie es vorher war. Und doch geht das Leben weiter.
In Japan gibt es eine besondere Tradition. Zerbricht eine Schale oder ein anderes Gefäß, wird es nicht weggeworfen. Es wird zu einem neuen Leben geführt. Ein Künstler fügt die Bruchstücke wieder zusammen. Er fügt dem Kitt feinen Goldstaub bei. So werden die Risse und Brüche sichtbar gemacht. Kintsugi nennen die Japaner diese Technik – auf Deutsch: Goldreparatur.
Kein Bruch, kein Riss wird unsichtbar gemacht. Im Gegenteil: Es wird in der heiligsten Farbe sichtbar, dass es Brüche und Risse im Leben gibt. Sie werden vergoldet.
Jesus vergoldet die Brüche und Risse der Frau und gibt den schmerzhaften und traurigen Erfahrungen etwas Besonderes. Er gesteht ihr zu: Du bist mit diesen Rissen in deinem Leben etwas Besonderes. Du brauchst dich nicht schämen – im Gegenteil: Du hast Vieles überstanden in deinem Leben. Einiges hat Kraft, Mühe und Zeit gekostet, wieder zu einem Ganzen zu werden. Und es macht dich zu dem Menschen, der du heute bist.
Liebe Gemeinde, das ist Ostern für mich: In der Lücke, dem leeren Grab, geschieht, was die Frauen am Ostermorgen so beeindruckt hat, dass es bis heute in unsere Ohren und Herzen dringt: Es entsteht ein neues Leben, ein Auferstehen. Der Riss, die Lücke, der Bruch in meinem Leben darf neu gefüllt werden.

Jesus, Du füllst meine gebrochenen Stellen und vergoldest sie.
Amen.

Ich grüße Sie herzlich,
Ihre Annett Chemnitz
Dozentin am Pädagogisch-Theologischen Institut der EKM